„Die Arbeitswelt der Zukunft gemeinsam gestalten“ – diese Einladung richtet sich an uns alle!
Bei diesen Worten handelt es sich nicht nur um eine nahezu perfekte Umschreibung meiner eigenen beruflichen Passion, sondern auch um den Titel einer durch die Science and Innovation Alliance Kaiserslautern e.V. durchgeführten Veranstaltung. 🤓
Umso mehr freute ich mich, dass sich im April 2024 so viele weitere Interessierte in Landau zusammenfanden, um frische Impulse rund um den Themenkomplex New Work zu erhalten sowie Chancen und Herausforderungen zu diskutieren.
Themenschwerpunkte der Veranstaltung
Im Laufe des Vormittags kamen fünf regionale ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis zu Wort, die ihre Expertise sowie persönliche Erfahrungen mit den Anwesenden teilten.
Die gewählten Schwerpunktbereiche seitens der Veranstalter weisen fast schon erschreckend viele Ähnlichkeiten zu meinen eigenen Interessen auf:
- Gesunderhaltung am Arbeitsplatz (v.a. mentale Gesundheit)
- Kompetenzerhalt und -entwicklung
- Arbeitsorganisation und Führung mobiler Teams
- Nachhaltigkeit und Digitalisierung
- Künstliche Intelligenz im Arbeitsalltag
Kein Wunder also, dass ich keine Sekunde zögerte, als ich Wind von der Veranstaltung bekam! 🙂
Meine persönlichen Highlights
Gerade deshalb sind die folgenden Punkte nur ein paar ausgewählte Impulse, die mich zum Weiterdenken angeregt haben.
1. Wissende und Systeme haben sich im unternehmerischen Alltag zum Flaschenhals entwickelt. 🍾 – Jannik Westram
In letzter Zeit beschäftige ich mich im persönlichen Kontext immer wieder mit individuellen Flaschenhälsen: Zeit, Energie und Aufmerksamkeit sind in meinen Augen die wichtigsten begrenzten Ressourcen, die es bewusst auf die verschiedenen Lebensbereiche zu allokieren gilt.
Für jeden dieser Aspekte gibt es im Selbstführungskontext spannende Tools, Strategien und Techniken. Allerdings passiert es meiner Erfahrung nach nicht selten, dass der tatsächlich limitierende Flaschenhals nicht erkannt wird und so am „falschen“ Bereich herumgedoktert wird: Beispielsweise herrscht ein akutes Energiedefizit vor, das mit besserem Zeitmanagement gelöst werden soll.
Da die eigentliche Ursache jedoch nicht erkannt und bearbeitet wird, sind diese durchaus zeitintensiven Bemühungen dann meist nicht unbedingt von Erfolg gekrönt.
Im Rahmen des Vortrags hat mich Jannik Westram dazu angeregt, in nächster Zeit auch die entsprechenden organisationalen Pendants in meine Überlegungen einzubeziehen.
2. Digitalisierung und Nachhaltigkeit können Hand in Hand gehen, tun das aber nicht automatisch. 🙌🏽 – Prof. Dr. Katharina Spraul
Die beiden Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind auf den ersten Blick gut in Einklang miteinander zu bringen. Prof. Spraul zeigte in ihrem Vortrag aber nochmal eindrücklich, dass es sich dabei keinesfalls um einen Selbstläufer handelt: Digitaler bedeutet nicht immer automatisch auch nachhaltiger.
Denn: Von Künstlicher Intelligenz bis hin zu jedem einzelnen, auf Insta hochgeladenen Foto hat alles einen ökologischen Fußabdruck, den es im Gesamtkontext zu berücksichtigen gilt 👣
In dem Kontext noch ein „Fun“ Fact, der alles andere als lustig ist:
Die Gesamtsumme der Kunststoffe auf unserer Erde ist doppelt so groß wie die Masse aller Lebewesen. 🐕🐂🐹🦐
Erschreckend, oder? 🤯
Übrigens: Nachdem ich eine Kurzversion dieses Artikels auf LinkedIn veröffentlicht hatte, reagierte jemand verwundert und fragte nach Details: Schließlich wäre die Masse aller Steine auf der Erde vermutlich auch um ein Vielfaches größer als die der Lebewesen. Da hat er natürlich recht. Klar, Plastik ist im Gegensatz zu Steinen menschengemacht. Es gehörte über viele Jahrtausende nicht in das natürliche Ökosystem und stört das bestehende Gleichgewicht empfindlich. Dennoch sehe ich uns Menschen (und die Ergebnisse unseres Seins im positiven wie negativen Sinn) als Teil der Natur an – und nicht als etwas davon getrenntes. So ganz genau kann ich deshalb gerade noch gar nicht ausdrücken, inwiefern mich diese Aussage besonders berührte.
3. Wir leben heute auf Kosten der Ressourcen von morgen 🌎 – Prof. Dr. Katharina Spraul
Auch wenn diese Aussage natürlich nicht neu für mich ist, war es für mich doch ein kurzer, wichtiger Reminder.
In dem Zusammenhang kam mir der Begriff der Ausbeutung in den Sinn – vermutlich könnte man diesen Begriff mit diesen Worten definieren (vielleicht macht man das auch tatsächlich so?). Neben der Ausbeutung der Umwelt durch wahnwitzigen weltweiten Ressourcenverbrauch dachte ich auch über Selbstausbeutung nach: Wann überstrapazieren wir unsere Kräfte und verbrauchen unsere künftigen Ressourcen schon heute? Woran merken wir das? Wie kann ich mich selbst nachhaltig führen und so zuverlässig davor bewahren, keine Ressourcen-Kredite einzugehen, für die ich einen hohen Preis zahlen muss – häufig den meiner psychischen und körperlichen Vitalität und Gesundheit?
4. Menschen brauchen (auch im Arbeitskontext) gleichzeitig das Gefühl von Autonomie und Zugehörigkeit gegenüber Team und Unternehmen 🚀– Alexander Gansel
Laut Alexander Gansel eignet sich das OKR-Framework (Objective, Key Result) bestens, um als Führungskraft diesen Spagat zu meistern. Dieser Ansatz verbindet verschiedene Ebenen durch das gesamte Unternehmen hinweg über gemeinsame Ziele miteinander: Große Unternehmensziele werden auf einzelne Teams und Individuen heruntergebrochen. Dadurch wird der Einzelne laut Redner dazu empowert, sich innerhalb des vom Unternehmen geschaffenen Möglichkeitsraums zu entfalten.
An anderer Stelle werde ich mal mehr zu diesem Konzept schreiben. Heute liegt mein Fokus jedoch auf einem weiteren Aspekt: Alexander Gansel betont bei seinem Vortrag unter anderem die Bedeutsamkeit eines aktiven Terminologie-Managements – also das Schaffen eines gemeinsamen Begriffsverständnisses innerhalb des Unternehmens.
Dabei werden in seinem Unternehmen übrigens Klarheit und Verständlichkeit höher priorisiert als beispielsweise eine korrekte Schreibweise. Deshalb werden zum Beispiel längere, zusammengesetzte Worte ganz konsistent mit Bindestrich geschrieben – was laut geltender Rechtschreibuzng faktisch falsch ist.
Ich fand dieses Vorgehen aus zwei Aspekten besonders spannend:
1) Klare Priorisierung
Zum einen gefiel mir die klare Priorisierung. Klarheit und grammatikalische Korrektheit sind beide positiv belegt und sind daher wohl Ansprüche, die an nahezu jeden Text gestellt werden. Ich finde es in diesem Zusammenhang großartig, dass eine unternehmensweite Richtlinie existiert, die klare Anweisung gibt, was konkret zu tun ist, wenn diese beiden Aspekte in Konflikt zueinander geraten.
Mich erinnert das an den Rat von Brian J. Robertson, Begründer von Holacracy (einer alternativen, rollenbasierten Unternehmensstruktur), ganz simple Daumenregeln für Entscheidungen in Organisationen aufzustellen: „Emphasize X, even over Y“. Beide Variablen sind in dem Fall potenziell erwünschte Ergebnisse, Werte oder Aktivitäten, die abhängig von aktuellen, subjektiven Prioritäten in eine klare Rangordnung gebracht werden.
Hier ein paar Beispiele zur besseren Veranschaulichung:
- Innovation vor Tradition
- Wachstum vor Sicherheit
- Selbstverwirklichung vor Stabilität
- Better done than perfect
- Qualität vor Quantität
- Gesundheit vor Karriere
Wie die Beispiele bereits andeuten, empfinde ich dieses Vorgehen sowohl auf individueller als auch organisationaler Ebene nützlich. Jede Aussage kann genauso gut umgedreht werden.
Ja, auch der letzte Punkt: Auch wenn Gesundheit beim expliziten Nachfragen in den Augen vieler Menschen deutlich wichtiger ist als die Karriere, ist es ja durchaus gängig, die eigene Gesundheit – bewusst oder unbewusst – hinter Karriere und/oder Familie anzustellen. Meiner Erfahrung nach bringen diese eigentlich abstrakten Aussagen an ganz vielen Stellen wertvolle Klarheit und erstaunliche Entschlossenheit im Alltag.
2) Bedeutsamkeit von Sprache
Natürlich ist das Terminologie-Management und damit eine gemeinsame Sprache hilfreich, um das Zugehörigkeitsgefühl untereinander zu stärken. Interessanterweise sehe ich das in letzter Zeit auch vermehrt in „Nischen-Communities“: Judith Peters redet von Content-Ängst, Walter Epp (alias Schreibsuchti) warnt vor Öxperten. Ich meine mich zu erinnern, dass das auch in Sekten gängige Praxis ist – aber das nur am Rande! 😀
5. Vertrauen und emotionale Offenheit sind wesentliche Zutaten für ein attraktives und leistungsorientiertes Arbeitsumfeld 🗣💪🏽 – Alexander Gansel
Emotionen auf der Arbeit.
Ob online oder offline, das Thema begegnet mir aktuell ständig. Klar, in meiner persönlichen Bubble rund um New Work, Achtsamkeit und Produktivität ist das nichts ganz Neues, aber ich habe schon das Gefühl, dass das Thema auch außerhalb immer weitere Kreise zieht.
Dazu gab es im April 2024 unter anderem folgende Anhaltspunkte für mich:
- Bei LinkedIn landen immer mehr Beiträge rund um dieses Thema in meinem Feed – verfasst aus allen möglichen thematischen Ecken
- Der einzige männliche Blogger Martin, der beim Content Society Treffen in Stuttgart mit dabei war, beschäftigt sich mit emotionaler Führung. 🙂
- Und auch Alexander Gansel betont diesen Aspekt in seinem Vortrag: Ganz selbstverständlich zählt er neben „Klassikern“ wie Kommunikationsfähigkeit, Selbstdisziplin und Organisationskompetenz auch Vertrauen und emotionale Kompetenz zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren eines attraktiven und leistungsorientierten Arbeitsumfelds.
Natürlich liegt da noch ganz viel vor uns, aber insgesamt eine wie ich finde hocherfreuliche Entwicklung! 🙂
6. Mentale Gesundheit ist kein Trend, sondern eine kausale Folge der Rahmenbedingungen 🔜 – Tim Kleber
Auch wenn mentale Gesundheit in den letzten Jahren sicherlich an vielen Stellen als Buzzword verwendet wurde, kam mir es als Wirtschaftspsychologin nie in den Sinn, dieses Thema einfach nur als kurzfristigen, vorübergehenden Trend abzutun. Ganz im Gegenteil: Auch mein betriebswirtschaftliches Herz freut sich über die zunehmende Aufmerksamkeit im Arbeitskontext. Ich glaube nämlich durchaus daran, dass gesunde und vitale Menschen in der Regel nicht nur zufriedener, sondern eben auch produktiver sind.
Tim Kleber scheint der gleichen Meinung zu sein und untermauert diese These durch eindrückliche Zahlen. Gestützt auf eine Ende 2023 durchgeführte Studie von McKinsey entwickelt sich Organisationsgesundheit zunehmend zu einem elementaren Wettbewerbsvorteil für Unternehmen.
Eine naheliegende, aber für mich doch überraschende Perspektive war es, mentale Gesundheit als kausale Folge der Rahmenbedingungen zu interpretieren. Obwohl letztlich auch im Buddhismus eine ähnliche Grundhaltung vorherrscht, habe ich das bislang noch nicht auf einer kausalen Ebene zusammen gedacht.
Diese sechs Impulse werde ich also nochmal mit in die nächsten Wochen nehmen.
Was braucht es deiner Meinung nach, damit wir die Arbeitswelt der Zukunft gemeinsam gestalten können?
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